Keinen Oscar für innere Arbeit

Keinen Oscar für innere Arbeit

Oftmals wird der innere Weg als Landkarte der Seelenführung beschrieben. Für mich ist der Innere Weg mit der einhergehenden inneren Arbeit ein Erfahrungsprozess für Menschen, welche sich selber finden möchten und bereit sind, alle die damit einhergehenden Prozesse zu durchlaufen. Es ist keine Philosophie, Gebotsliste oder Eso-Pop-Spiritualität. Der Innere Weg kann zur Selbstrealisierung und Verwirklichung unserer wahren Natur auf dem jeweiligen Weg führen. Die eigene wahre Natur zu erkennen bedeutet, die Seele endlich in „Inkarnation zu bringen“. Die wahre Natur zu verwirklichen bedeutet, einen Integrationsgrad zu erreichen, der die Verkörperung dieser tieferen Dimension unseres Seins ermöglicht.

Viele Menschen verspüren jetzt den Impuls, sich früher oder später mit ähnlichen Fragen auseinanderzusetzen:
Wohin will ich in meinem Leben?
Was will ich erreichen?
Ist das, was ich anstrebe, wirklich das, was ich will?
Lebe ich wirklich mein Leben?
Bin ich bereit, alles zu durchleben, was das Leben mir bringt und alles loszulassen, was es mir nimmt?
Und was will das Leben von mir, wohin will es mich führen?
Woran halte ich fest, obwohl schon lange kein Leben mehr darin ist; und was vermeide ich, obwohl meine Lebenskraft darin steckt?

Diese Fragen sind nicht philosophische Spielerei, sondern die Grundfragen, die wir durch unsere alltägliche Lebenspraxis so oder so beantworten: zu unserer Zufriedenheit oder zu unserem Leidwesen.

Und so beginnt der „Aufwachprozess“ und man findet sich auf dem spirituellen Marktplatz wieder mit seiner Vielzahl von Wegen, Prozessen, Perspektiven, Traditionen und Prinzipien. Schon allein die ungeheure Aufgabe, sich in der Komplexität der Arbeit mit der Psyche und dem Ego zurechtzufinden, verlangt eine fein abgestimmte Fähigkeit zu unterscheiden.

Nichts ist so hungrig wie das menschliche Herz.

Manchen Menschen scheint der Weg entgegenzukommen und sich in ihr Leben einzufügen. Sie gehen gerade ihrer gewöhnlichen Tätigkeit nach, wenn mittendrin irgendein Mensch, ein Buch oder eine Erfahrung auftaucht, ihre Welt erschüttert und so laut zu ihnen spricht, dass sie es nicht länger verleugnen können. Es kommt als eine große Offenbarung und fühlt sich dennoch so intim und vertraut an. So ist das bei spirituellen Wegen oft. Etwas scheinbar Neues erscheint in unserem Leben und dennoch wissen wir, dass es immer bei uns gewesen ist.

Ob wir nun suchen oder nicht, die Entdeckung des eigenen Weges ist oft die Zeit einer großen Feier für das menschliche Herz. Es kommt der persönliche und intime Übergangsritus „ich bin gefunden worden“. Oft bringt das Erleuchtungserfahrungen und Einsichten mit sich. Der Weg erscheint einfach und offensichtlich. Alles, was wir machen müssen, ist lernen, verstehen, den Geist beruhigen, die Übungen regelmäßig machen und mit der Zeit werden sich dauerhaft Frieden und Selbsterkenntnis bei uns einstellen.

„Und Gott amüsiert sich darüber, dass du einst versucht hast, ein Heiliger zu sein“, schreibt der persische Mystiker Hafez. Wenn wir Glück haben, dauert der anfängliche Eintritt in spirituelles Leben, die großen spirituellen Flitterwochen, ebenso lange wie die Phase der Flitterwochen bei einer großen Romanze: Monate, vielleicht sogar Jahre. Bei den meisten tritt jedoch die Phase der Ernüchterung ziemlich schnell ein und sie verlieren ihre ursprüngliche Motivation und Freude durch das ständige Vermischen der einzelnen Schulen, Methoden und Lehren. Alles wird zu einer langweiligen braunen Brühe zusammengerührt und das anfängliche Feuer geht langsam aber sicher aus. Der Innere Weg des Erwachens geht in die Phase der dazugehörenden Herausforderungen wie Selbsttäuschung, Zusammenbruch und heilsame Krisen und oft auch in die Desillusionierung des Traumes von der Erleuchtung und den Lehrern, die wir als erleuchtet bezeichnen. 

Was ist passiert?

Wenn Menschen durch ihren Erwachensprozess gehen, beginnen sämtliche persönlich-menschliche emotionalen Wunden hochzukommen, sodass sowohl die Kindheit und alle traumatischen Ereignisse dieses Lebens, als auch unerledigte Themen aus vergangenen Leben, emotional zum Abschluss gebracht bzw. integriert werden müssen. Das verstehen die meisten noch. Was sie immer wieder auf dem Weg vergessen ist, dass dieser Prozess niemals mehr wirklich aufhört. Er bewegt sich nur wie eine Spirale in eine immer höhere (oder tiefere) Ebene.

„Wie lange dauert das denn noch und wann kommt denn endlich die gute Zeit für mich und die Welt?“ Oder „Jetzt muss mal Schluss damit sein, ich habe das ja schon alles tausendmal prozessiert und losgelassen!“ sind Sätze, welche ich sehr oft höre. Auch von Menschen, die schon viel Erfahrung auf dem Inneren Weg und mit Innerer Arbeit haben. Der Schmerz, den viele fühlen, wenn die Leichtigkeit, der Überfluss und das Schöne, das uns von „da oben“ prophezeit und versprochen wurde, nicht eingetroffen ist, löst oft handfeste Krisen aus. Diese Fragen stehen immer wieder im Raum wie ein großer rosafarbener Elefant, egal ob im geheimen oder laut, egal, wie lange man schon auf dem Weg ist, heil geworden und in den höchsten Sphären der Spiritualität herumschwirrte. Viele fühlen sich bis ins Mark enttäuscht, verraten, an der Nase herumgeführt. Sie haben ja alles versucht und doch scheint es nicht besser zu werden. Sie unterstützen viele unzählige andere auf ihrem Weg, geben ihnen Impulse und sehen, wie wunderbar sie sich entwickeln, aber was ist mit einem selbst? Noch ein Channeling? Ganz weg von der doofen Esoterik? Zurück zur Kirche? Einen neuen Tantra Kurs, Lachyoga oder vielleicht sogar an einer Ayahuasca Zeremonie teilnehmen?

Menschen sind (meistens) sehr komplexe Wesen und alles, was in den feinstofflichen Körpern „eingelagert“ und geparkt ist, dauert oft ein ganzes Leben, um es zu finden, zu transformieren, zu heilen, zu integrieren, anzupassen und zu befreien. Deshalb ist halt nie wirklich „Schluss“. Deshalb sind wir auf dem Inneren Weg bis zu unserem letzten Atemzug damit beschäftigt, zu prozessieren, erkennen, integrieren, um so immer mehr Bewusstsein in ALLE Ebenen unseres Seins zu bringen. Auch wenn wir die vermeintlich selbe Straße tausendmal runtergehen. Und dieser Fakt wird immer wieder verdrängt, geleugnet, vergessen. Es „verkauft“ sich sehr schlecht, deshalb werden viele Spirituelle Heiler, Energetiker, Coaches, Schamanen und Lehrer diese Tatsache nicht verraten. Das ist das gut gehütete Geheimnis – The Real Secret.

„The Secret“, wie Autorin Rhonda Byrne es nennt – war wenigen Auserwählten der Menschheitsgeschichte gegenwärtig. Die Smaragdtafel des Hermes Trismegistos, die Keimzelle aller heute bestehenden esoterischen Systeme, hat es ausgedrückt mit den Worten: „Wie innen, so außen“. Große Geister wie Platon, Leonardo da Vinci und Einstein haben um das Geheimnis gewusst; moderne Autoren wie Neale Donald Walsch und Bärbel Mohr haben in jüngster Zeit eine Millionen-Leserschaft damit inspiriert. „The Secret“, das als Dokumentarfilm schon weltweit erfolgreich lief, beweist in einer überzeugenden Mischung aus Erklärungen der Autorin und Zitaten bekannter Weisheitslehrer die Wahrheit einiger grundlegender Erkenntnisse: Wir sind selbst Schöpfer unserer Realität. Die Dinge, die uns im Alltag begegnen, haben wir durch die eigene Gedankenenergie angezogen. Die Kraft, die wir „Gott“ nennen, war und ist nie wirklich von uns getrennt.“

Zitat aus der Amazon-Buchbeschreibung.

Klingt doch super, oder?

Die Verkaufszahlen alleine dieses Buches sind der lebendige Beweis dafür, wie leicht Menschen verwirrt werden können. Die Verwirrung besteht nicht darüber, dass das alles nicht wahr ist, sondern darin, dass es meistens LANGE dauert, diese Weisheiten hier im physischen Leben umzusetzen. Und nein, für alle deine Bemühungen bekommst du keinen Oscar, keine besondere Erwähnung, kein „Sehr Gut“ am Ende des Weges. Die New Cagers (Wortspiel aus New Age und Cage – Käfig) „bestellen“ sich einfach alles; klar doch. Man ist halt noch nicht so weit, wenn das bei einem bis jetzt nicht so funktioniert, nicht wahr?

Und, The Secret hat nichts mit einem spirituellen Weg zu tun, nur um das mal klar zu sagen. Positiv ausgedrückt würde ich es als eine Einladung zum Umdenken bezeichnen; dafür hat es einem guten Zweck gedient. Ansonsten kann man es getrost zur Seite legen. Auch Hatha Yoga, Reiki, Aufstellungen, Astrologie, Tarot und die unzähligen Methoden und Ansätze auf dem Marktplatz sind keine spirituellen (inneren) Wege, sondern Methoden, das Bewusstsein zu trainieren und Körper und Geist vorzubereiten auf die schwierige und tiefere Arbeit, die auf dem Inneren Weg auf einen zukommt.

Es gibt keine Wunderantwort oder einen Wunderweg mit leichten und schnellen Lösungen für alle Probleme des Lebens und des spirituellen Weges!

Wir kommen aus diesem Schmerz-Enttäuschungs-Karussell erst heraus, wenn wir aufhören, Spiritualität mit Psychotherapie, Heilung und schnellem Eso-Konsum zu verwechseln. Wenn wir aufhören, allen diesen „Lehrern“ zu glauben, die versprechen, dass sie die schnelle, einfache, superwirksame Lösung für oft sehr komplexe Probleme haben. Man kann eben nicht alles einfach „auflösen“, ein paar Aufstellungen dazu machen und puff, es ist weg. Es gibt 2 Punkte, vier Schritte, fünf Sätze, Quanten dieses und jenes … viele verwechseln ein YouTube Video anschauen mit ernsthafter Therapie oder damit, einen Inneren Weg zu gehen. Sich stundenlang Gratis-Eso-Kongresse und Verschwörungslektüre reinzuziehen, informiert vielleicht unser Gehirn und befriedigt den gierigen Teil in uns, der nie genug Gratiszeugs bekommen kann, aber gleichzeitig werden wir mit vielen Gedankenmustern berieselt, die ungefiltert in unser Feld einmarschieren und energetische Haken setzen, die man dann nicht mehr so leicht loswird. Und egal, wie viel man liest, anschaut oder darüber nachdenkt oder diskutiert, letztendlich bringt es einen keinen Schritt weiter.

Wie alles im Leben muss auch der Innere Weg ernsthaft gegangen werden, man muss sich mit Leib und Seele dafür engagieren und es wirklich WOLLEN, auch wenn’s oft schwerfällt.

Schlussendlich muss eine Verpflichtung eingegangen werden zwischen dem begrenzten Selbst und dem grenzenlosen Selbst, zwischen einem selbst und Gott oder der Wahrheit, und dann erst beginnt die tiefere Arbeit des Weges.

Eine der verwirrendsten Herausforderungen für spirituell Suchende ist, dass nach all den Jahren immer noch Spiritualität und Psychologie miteinander verwechselt werden. Es sind ZWEI verschiedene paar Schuhe! Auf dem Inneren Weg braucht es beides: Spiritualität und oftmals Therapie, um sich gesund und halbwegs sicher entfalten zu können. Der italienische Psychiater und Begründer der Psychosynthese, Roberto Assagioli, weist darauf hin, dass eine vollständige Psychotherapie nicht nur psychische Störung behandelt, sondern darüber hinaus spirituelles Erwachen fördert, damit man dann intelligent mit den Schwierigkeiten und neuen Herausforderungsstufen, die ein Erwachen mit sich bringt, umgehen lernt. Wenn wir neue Schichten unseres Bewusstseins zutage fördern, entdecken wir unvermeidlich auch das, was in uns auf persönlicher, familiärer, kultureller und historische Ebene nicht vollkommen und nicht geheilt ist. Das ist kein Problem, das man fürchten und nichts Falsches, das man berichtigen müsste, sondern ein notwendiger und gesunder Aspekt spiritueller Entfaltung, dem man mit zunehmend scharfer und wirksamer Unterscheidungsfähigkeit begegnen muss.

Es geht nicht um Erleuchtung, Glück oder „aus der Fülle leben“.

Was oft passiert ist, dass Innere Personen, die ihrer Essenz nach spirituell sind, häufig kompensatorische spirituelle Wege entwickeln: Manche flüchten sich zu Engeln, Elfen und Schöpfer, weil Kontakt mit den Menschen unvergleichlich schwerer und schmerzhafter erscheint. Andere wiederum tauchen in vergangene Leben ab. Jene sind wenigstens schon überstanden und rückblickend erscheinen sie viel cooler, spannender, erfüllter oder spektakulärer als das, was Jetzt Hier Ist. Ein wieder anderer verschwindet gern im nondualen nichts und erklärt dies zum ultimativen einzigen Endzustand, um irdisch-menschliche Zustände nicht ertragen zu müssen oder zumindest genug Abstand dazu zu erhalten. Dann gibt es die große Gruppe der „Erwachten“ die zu 100% wissen, dass man heutzutage sowieso nichts mehr prozessieren muss, außerdem ist alles Karma erlassen worden und der Erzengel Michael/Gott/Mutter Maria hat sie bereits von allem erlöst … Jemand anderes möchte endlich wieder mit Schöpfer eins sein und überdeckt damit regressive früh-kindliche Symbiose Wünsche, die auf ungeheilten Kindheitstraumata beruhen.

Eine der größten Tragödien (für die Seele) nimmt ihren Lauf, wenn Menschen mit einer Leidenschaft für die Wahrheit, für Gott, sich vom spirituellen Weg abwenden, weil sie nicht über die Enttäuschung hinwegkommen, die sie mit einem spirituellen Lehrer erlebt haben oder über ihre eigene Naivität für ihre Mitwirkung an einer nicht gerade optimalen Situation. Ihre Seele verliert die Gelegenheit zu nachhaltigem Wachstum in dieser Lebenszeit hauptsächlich aufgrund psychologischer Umstände, die sie hätte überwinden können. Wir wollen uns noch einmal daran erinnern, dass keiner von uns dagegen gefeit ist, in die Falle von spiritueller Verwirrung und spirituellem Trugschluss zu gelangen. 

Es existieren unglaublich viele Missverständnisse und Unwissenheit darüber, was ein spiritueller Meister/Lehrer überhaupt ist (existiert in unserer Kultur praktisch nicht), darüber, wie die Natur des Inneren Weges beschaffen ist und darüber, was unter „wahrem Menschsein“, „Heilung“ „Bewusstsein“ und „Wachstum“ eigentlich zu verstehen ist. Große Unwissenheit zeigt sich im Geist westlicher suchender häufig auch, wenn es um die Bedeutung verbindlicher Schülerschaft auf dem Inneren Weg geht. Dazu kommt noch das Problem, dass in unserer deutschsprachigen Gesellschaft jeder spirituelle Lehrer oder Guru unter dem Generalverdacht der Manipulation von Menschen steht. Menschen wünschen sich einerseits Autoritäten, nach denen sie sich orientieren können, andererseits ist die Beziehung zu natürlichen Autoritäten spätestens seit dem 2. Weltkrieg massiv gestört. So sind auch spirituelle Gemeinschaften um einen Lehrer folgerichtig einem pauschalen Sektenverdacht ausgesetzt und werden immer wieder öffentlich diskreditiert. Wie aber kann man einen wahren von einem falschen Lehrer unterscheiden? Wo ist der Übergang zwischen blinder Gefolgschaft und sehender Hingabe?

Die Amerikanerin Mariana Caplan untersucht in ihrem Buch „Brauchst du einen Guru?“ ausführlich den Weg zu einer bewussten Schülerschaft. Er ist der rote Faden in dieser umfassenden Studie des großen Labyrinths der Schüler/Lehrer-Beziehung in der westlichen Kultur. Ihr Beitrag „speist sich aus mehr als zwanzig Jahren Kontakt und persönlichem Engagement mit so ziemlich jeder Art Guru, Schmuru, Tulku, Sensei, Sheikh, Schamane, Rabbi, Therapeut, Weisem, Mentor, Nicht-Lehrer, Heiler und Göttlicher Mutter, die man sich vorstellen kann.“

DU bist der liebe Gott, der jetzt gefragt ist.

Man wird nicht erleuchtet, indem man sich Lichtgestalten vorstellt, sondern indem man die Dunkelheit bewusst macht, sagte Carl Gustav Jung.

Auch ich musste mein Ziel der Erleuchtung (im klassischen Sinne, nicht Erleuchtung der Pop-Spiri-Szene) zu Grabe tragen, denn sie repräsentiert das Gedankengut (alter) spirituell/mentaler Wege. Wenn jemand so einen Weg beschreitet, dann passt das vielleicht für die Person, zumindest für eine Zeit. Die meisten Suchenden auf dem Weg haben oft eine grandiose Vorstellung von ihrem spirituellen Potenzial. Die geheime Fantasie, sie hätten einen besonderen Zugang zur Erleuchtung, ist oft eine der größten Fallen auf dem Weg. Das ist besonders während der frühen Jahre des spirituellen Lebens nicht unüblich, wo viele die Tendenz haben, sich von dramatischen Einsichten und überwältigenden Erfahrungen gefangen nehmen zu lassen. Aber, ein unablässiges inneres Bedürfnis hämmert an die Türen unseres Bewusstseins und verlangt von uns, in die Tiefe zu gehen, und dann geht’s wieder weiter. Alle großen Meister, die gewagt haben, ihr Bewusstsein bis zu ihren äußersten Möglichkeiten auszudehnen, sagen, dass man den ganzen Weg auf Messers Schneide geht und er eine Straße ohne Wiederkehr ist. Sie sagen, dass der Preis für die Wahrheit höher ist, als wir uns zu Beginn des Weges je hätten vorstellen können und weit über das hinausgeht, was die meisten von uns zu zahlen bereit gewesen wären. Ich kann das aus meiner eigenen Erfahrung zu hundert Prozent bestätigen.

Der spirituelle Weg eines jeden Menschen bringt seine ganz eigenen besonderen Bedürfnisse mit sich und es dauert (für die meisten) einige Jahre, bis sie sich zurechtgefunden und herausgefunden haben, welcher Weg ihnen am meisten entgegenkommt. Zen ist nicht für jedermann, Tibetischer Buddhismus oder Sufismus auch nicht, sich gänzlich von der Welt zurückziehen und/oder im Ashram verschwinden auch nicht.

Esoterik als „Geheimlehre“ ist nicht mehr notwendig, nicht in dieser Zeit, dem stimme ich zu. Es braucht etwas Mut, ja, aber niemand stirbt heute am Scheiterhaufen. Das „Märtyrertum“ durch soziale Medien ist allerdings die Neuauflage davon, keine Frage. Wir Spirituellen Lehrer stehen allerdings prinzipiell unter Generalverdacht und alle, die mit uns arbeiten möchten, müssen sich auch über diese Hürde hinwegsetzen können. Fragen wie „Was machst du da genau“? „Was tut ihr denn da“? Bist du jetzt in einer Sekte“? sind nicht immer leicht zu beantworten für diejenigen mit Familie, Partnern, Freunden und Kollegen, die kein Verständnis für diesen „Blödsinn“ haben. Alles Fremde ist bedrohlich und die Lektionen der letzten 2000 Jahre Kirche haben sich tief in das Unterbewusste des westlichen Menschen eingeprägt. Die offizielle Religion des Landes, des Volkes, der Nation sind erlaubt, alles andere ist nicht gerne gesehen oder richtiggehend verpönt. Es ändert sich, aber eher langsam (in manchen Ländern). Die diversen Verschwörungstheorien der letzten 25 Jahre haben ihres dazu beigetragen, dass Menschen auf dem Inneren Weg noch mehr verwirrt werden und sich am Ende ängstlich zurückziehen oder den Schmarrn ungefiltert inhalieren und schön in den sozialen Medien weiterverteilen.

Im alten Ägypten mussten die Schüler der Mysterienschulen sich diversen Tests und Herausforderungen und den „Dämonen auf dem Weg“ stellen. Es gab sogar physische Krokodile im Wasser, wie man im Tempel von Kom Ombo in der Nähe von Assuan (Ägypten) sehen kann, die den Jünger entweder durchließen oder eben auch nicht. Der Jünger endete dann als Krokodil-Snack. Daran hat sich bis zum heutigen Tag nicht viel geändert; das Krokodil heißt jetzt nur anders, ist aber genauso tödlich für Mensch und Seele. Uns darüber den Kopf zu zerbrechen, ob die Erde eine Scheibe ist oder ein Ball/Kugel, die Queen ein Reptilianer oder Außerirdische uns entführen könnten, sind die neuen Krokodile des Tages. Auch das neue Krokodil „Corona“ bringt eine riesige Energieverschwendung und eine Ablenkung par excellence mit sich.

Wenn jemand seine persönlichen Energien dafür einsetzen möchte und es einem hilft, daran zu glauben, dass der Staat nur daran interessiert ist, uns zu belügen, zu betrügen und unser größter Feind ist – dann bitte schön. Es ist deine Energie, dein Leben, deine Wahrheit, absolut, sie steht dir zu. Aber dann kann man sich nicht als spirituell oder bewusst bezeichnen, denn das ist man mit diesem Gedankengut ganz sicher nicht. Auf dem Weg wird allerdings ALLES sichtbar, auch alle geheimen Ängste, Irrungen und Verwirrungen, vor allem die der diversen mentalen Schichten. Corona ist eine wunderbare Gelegenheit, für sich selbst herauszufinden, wo man denn wirklich steht (mit seinem Bewusstsein). Da lauern viele Krokodile auf den „Jünger auf dem Weg“ und sie warten (oftmals) mit viel Geduld auf ihn. Meistens gibt es eine reiche Ernte … und man darf wieder viel Zeit, Energie und die richtige Gelegenheit einsetzen, um aus diesem Schlamassel herauszukommen. Oftmals geht das erst wieder in einem neuen Leben …. aber man hat ja unendlich viele davon, nicht wahr? 🙂

Nicht alle auf dem spirituellen Weg bewegen sich in den sehr verschmutzen und giftigen Astralebenen der Verschwörungstheoretiker, aber die Energie ist inzwischen schon so groß und heftig, dass sie uns alle immer wieder erreicht. Vor allem in der westlichen Medienlandschaft. Das Drama mit all den Verschwörungstheorien ist, dass sie meist auch ein paar Körner Wahrheit enthalten, gemischt mit reiner Lüge und/oder Verzerrungen, und das macht sie so giftig, so zerstörerisch, so „Krokodilisch“. Bis man das alles wieder entwirrt hat, ist man so erschöpft und gestresst, dass es sich einfach nicht lohnt, sich damit zu befassen.

Ja, einen Weg des Erwachens, der inneren Schulung – einen spirituellen Weg zu gehen, bedeutet viel Anstrengung, viel Desillusionierung, viel Verantwortung und endlose Selbst-Arbeit. Ich kann nicht nur auf meinem Meditationskissen sitzen und Om chanten und den lieben Gott mal machen lassen, wir sind ja eh alle Eins … Von einem Bewusstseinszustand, wo wir alle EINS sind, sind wir noch mindestens 100 Millionen Jahre Entwicklung entfernt, also in dem Leben wird nix mehr daraus, sorry.

Erwachen bedeutet in ALLEN LEBENSSITUATIONEN wach werden

Beziehung, Familie, Spiritualität, Politik, Arbeit, Ökologie & Umwelt, Kinder usw. Was sind MEINE Werte, was kann ich dazu beitragen … usw. Wir werden die Politik nicht verändern, wenn wir nicht wählen gehen, ganz einfach. Auf Merkel und Co. zu schimpfen ist einfach nur billig, sonst gar nichts. Und so geht es jedem von uns. Wir sind im Moment gezwungen, Seite zu beziehen, neutral zu sein gilt nicht. Jeder muss jetzt Farbe bekennen und es ist schon interessant, was sich da alles so zu zeigen beginnt. Rechtsradikales Gedankengut überschwemmt die spirituelle Szene geradezu und die meisten sind anscheinend nicht fähig, sich erst mal richtig zu informieren, bevor sie mit diesen Gruppen Seite an Seite in Demos stehen.

Unser lineares Denken ist an eine Grenze gestoßen, und wir stehen vor einem scheinbar unlösbaren Widerspruch. Genau an diesem Punkt haben wir die große Chance, unsere nur konkret denkende, trennende Ordnung aufzugeben und den Inneren Weg zu betreten. Genau an diesem Punkt beginnt, streng genommen, erst der innere Weg des Menschen, der spirituell genannt werden kann. Es ist ein Weg, der für das alte Denken widersprüchlich, unvereinbar, unlösbar und unbegehbar ist. Die einzig mögliche Antwort, die wir auf dem Inneren Weg noch geben können, ist eine Antwort mit unserem ganzen Wesen, nicht mehr nur mit unserem konkreten Verstand.

Damit das Leben wieder lebenswert und lichtvoller wird und der Innere Weg wieder zur Herzensangelegenheit wird.

Wir sind aufgerufen, “jetzt die Frage zu lebenschreibt der Dichter Rainer Maria Rilke, damit wir “vielleicht dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein leben.“

 

 

Om Mani Padme Hum

 

© 12 /2020 Renate Hechenberger. Alle Rechte Vorbehalten.
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